Chronik Teil 4

20. Jahrhundert bis zum 2. Weltkrieg (1939)

1900

Im Ort gibt es 38 bewohnte Gebäude, in denen 251 Einwohner leben, ein Standesamt und eine Posthilfsstelle. Knautnaundorf gehört zum Gericht Markranstädt und zum Gendarmeriebezirk Großzschocher-Windorf.


1902

In diesem und im vorigen Jahr wird die alte Pfarrscheune abgerissen und ein neues Wirtschaftsgebäude im Pfarrhof gebaut.


1905, 19. Oktober

Die neu erbaute Schule, die sich gegenüber der alten befindet, wird geweiht. Die alte wurde für 5 480 Reichsmark verkauft und das Geld für den Neubau verwendet.

Schulgebäude von 1905

Schulgebäude von 1905


1906, 9. Juni

Die Scheune des Gutsbesitzers Winter brennt ab. Bis zum nächsten Jahr wird eine neue Scheune gebaut.


1908

Das heutige Haus Leipziger Straße 6 wird gebaut. Am 21. April erhält der Bäckermei­ster Hermann Brumby die Erlaubnis, im Ort eine Bäckerei zu betreiben.


1911

Knautnaundorf erhält durch das Elektrizitäts­werk Leipzig-Land eine 220-Volt-Freileilung. Diese ist über ein Transformatorenhäus­chen an der Straße nach Knauthain an eine 10 OOO-Volt-Hochspannungsleitung ange­schlossen. Am 9. September brennt erstmals elektrisches Licht in den Häusern; seit dem 21. November gibt es elektrische Straßenbe­leuchtung.


1912

Baumeister Taubert aus Kitzen baut für den Bäckermeister Ferdinand Graf das heutige Haus Leipziger Straße 8. Dieser muss es 1913 zwangsversteigern lassen. Später hat hier Max König eine Bäckerei, der seine Brötchen auch im Ort austrägt. Alfred Ronniger ist Pächter der Knautnaundorfer Jagd, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts aus der des Rittergutes ausgegliedert ist und in den Händen einer Jagdgenossenschaft liegt.


1913

Die Schule wird von 45 Kindern besucht.


1916

Durch den Krieg ist die Einwohnerzahl des Ortes auf 227 gesunken, von denen 98 männlich und 127 weiblich sind. Am 16. Februar werden Brot- und am 16. April Fleischkarten eingeführt. Oskar Munkelt kauft das Gut Nr. 15 (Eythraer Straße 2) vom Vorbesitzer Seume.


1917, 2. April

Der freie Handel mit Mehl und Backwaren wird aufgehoben. Die Kirche muss eine Glocke abgeben; auch die Orgelpfeifen sollen ausgebaut werden.


1918

Knautnaundorf hat im 1. Weltkrieg 11 Ge­fallene und Vermisste zu beklagen; für sie wird in der Kirche eine Gedenktafel ange­bracht. Am 2. Oktober wird das "Baurechtli­che Ortsgesetz für die Gemeinde Knaut­naundorf" genehmigt, das die zukünftige Bebauung des Ortes regelt.


1919

Die Kirche erhält die im Krieg herunter­genommene Glocke zurück. Paul Joffroy erwirbt den Gasthof im Gut Nr. 11. Ein Jahr später erhält er die Auflage, Küche und Sanitäranlagen in Ordnung zu bringen.


1921

Am 1. April wird der Gutsbezirk Knaut­naundorf eingemeindet und erhält damit die­selben Pflichten wie die übrigen Gemeinde­mitglieder. Mit dem Vertrag geht der Weg nach Seebenisch in die Pflege der Gemeinde über, die dafür die daran stehenden Pflau­menbäume nutzen darf.


1922

Richard Blume erhält die Knautnaundorfer Mühle per Auflassung. Das Ringreiten wird eingeführt. Es findet bis nach dem 2. Welt­krieg alljährlich an einem Sonntag nach Pfingsten statt. Im Ort gibt es den Reit- und Fahrverein "Blücher", der auf Bergschem Grund einen Reitplatz hat. Im Gasthof gibt es ein Vereinszimmer.

Aufzug der Ringreiter in der Dorfstraße, 1938

Aufzug der Ringreiter in der Dorfstraße, 1938


1923, 3. Februar

Die Gemeinde erklärt ihren Beitritt zum Zweckverband Groß-Leipzig-Kohlenabbau. In der Folge wird regelmäßig in zwei Brunnen der Grundwasserstand gemessen. Dieser sinkt in den trockenen 30er Jahren stetig, so dass fast alle Brunnen tiefer gebohrt werden müssen.


1925

Der Oberlehrer a. D. Bernhard Graichen errichtet auf dem Grundstück Nr. 50 ein Wohn- und Stallgebäude; auf dem Gut Nr. 4 (Alte Straße 32) baut Willy Rothe ein Wohn­haus. Die Straßenbeleuchtung des Ortes wird erweitert und die Decke des Knaut­hainer Weges hergestellt.


1926

Knautnaundorf hat 291 Einwohner. Im Ort gibt es das Kohlengeschäft Kurt Holzweißig, den Bäcker Max König und den Kolonial­warenladen Melanie Sperling (Alte Straße 13). Im selben Gut befindet sich später die Stellmacherei Emil Sperling, die nach dem 2. Weltkrieg von Bartsch übernommen wird. Im Haus Nr. 45 (Leipziger Straße 4) befindet sich die Milchhandlung Arthur Zahn, die gleichzeitig Milchsammelstelle ist. Diese Aufgabe übernimmt noch vor dem 2. Welt­krieg der Rehbacher Milchhändler Krause. Das Rittergut bringt die Milch auf den Bahnhof Bösdorf; von dort wird sie in den Leipziger Milchhof gebracht. In der Knaut­naundorfer Schule gibt es nur zwei Klassen mit 15 und 14 Schülern. Im Rahmen von Notstandsarbeiten wird die Durchgangsstra­ße erneuert sowie die Luppe und Wassergrä­ben gehoben.


1927

Knautnaundorf hat 302 Einwohner. Per Beschluss vom 22. Februar wird der Schul­bezirk Knautnaundorf mit Bösdorf vereinigt­ - die Knautnaundorfer Schüler sollen ab Ostern nach Bösdorf in die Schule gehen. Sie treten jedoch in Streik, da der Weg nach Bösdorf in einem sehr schlechten Zustand ist. Die geringe Zahl der Schulkinder hatte in Knautnaundorf nur eine zweistufige Volks­schule ermöglicht, während die in Bösdorf sechsstufig war. Das Schulgebäude in Knautnaundorf wird jedoch weiter benutzt, so dass auch Bösdorfer Kinder nach Knautnaundorf müssen. Am 13. August pachtet der Gutsbesitzer Richard Hauschild das Rittergut Knautnaundorf mit einer Grundstücksgröße von 160 ha, 12 Pferden, 50 Rindern und 50 Schweinen. Der Vertrag enthält für den Verpächter die Bedingung, dem Pächter für 35 000 Goldmark ein Wohnhaus zu bauen. Denselben Wert stellt der Pächter Hauschild für den Bau zur Verfügung, der vom Baugeschäft Kretzsch­mar ausgeführt wird. Ferner soll der Pächter einen Geräteschuppen bauen und das vorhandene Wohnhaus auf dem Gutshof für zwei Arbeiterwohnungen umbauen. Das jährliche Pachtgeld von 30 Goldmark pro preußischen Morgen kann auch in Weizen abgeleistet werden. Hauschild geht 1929 in Konkurs, so dass Graf Hohenthal das Gut wieder übernimmt und es per 15. August 1930 an Dr. Hermann Jähnert verkauft; der Vertrag wird jedoch ein Jahr später neu abgeschlossen.


1928

Nachdem sich der Pfarrer Dr. Chalybaeus am 1. Dezember 1925 in den Ruhestand verset­zen lässt, wird die Pfarrstelle nicht neu besetzt. Die Gemeinden Eythra, Bösdorf und Knautnaundorf werden am 1. April 1928 zu Schwesternkirchgemeinden vereinigt. Die Gemeinde lässt einen Teich zwischen den Wegen nach Eythra und Bösdorf mit Zement befestigen und einfassen, um ihn als Lösch­teich zu nutzen. Auf dem geteilten Flurstück 48 entstehen mehrere Häuser; außerdem baut die Gemeinde eine Wohnbaracke. In diesem und im vorigen Jahr entsteht durch Gemeindeinitiative an der Straße nach Knauthain ein Wohnhaus für vier Familien. Das durch den Architekten Matthes geplante Gebäude führt der Baubetrieb Albin Kretzschmar aus. Die Straße nach Knauthain wird kaltasphaltiert.


1929

Bei der Wahl zum Gemeinderat am 17. No­vember erhält die bürgerliche Partei vier und die SPD drei Sitze. Gastwirt Paul Joffroy baut seinen Verkaufsladen neu; Bernhard Jacob baut sich auf dem Flurstück Nr. 90 ein Wohnhaus. Um den Zitzschener Weg für Fuhrwerke befahrbar zu machen, werden Bäume aus- und am Schkeitbarer Weg wieder eingepflanzt.


1930

Dr. Hermann Jähnert baut sich neben der Rittergutsvilla eine PKW-Garage; das heutige Doppelhaus Leipziger Straße 26/28 wird gebaut. Die Straße nach Kleinschkorlopp wird von der Schule bis an die Brücke kalt­asphaltiert. Ein Ortsgesetz über die Herstel­lung von Straßen, Fußwegen und Schleusen wird durch den Gemeinderat genehmigt.

Gespann, um 1930

Gespann, um 1930


1931

Am 27. Januar brennt der Stall des Gutes Nr. 31, in dem Rittergutsarbeiter und deren Familien wohnen. Im selben Jahr wird ein Brunnen gebaut, aus dem bei Feuer Wasser entnommen werden kann. Da die Gemeinde ständig Nachtwache hat, können viele Feuer frühzeitig entdeckt werden. Im Ort gibt es neben vier Gemeindeteichen 52 private Brunnen mit Handpumpe.

Ein Postbus wird eingerichtet, der zweimal täglich fährt. Am 9. April kauft Dr. Hermann Jähnert von Karl Albert Leo Graf von Ho­henthal und Bergen für 270 000 RM das Rittergut Knautnaundorf mit einer Gesamt­fläche von rund 150 ha. Zum Inventar gehören 15 Pferde, 45 Rinder, 70 Schweine und an Maschinen ein Hanomag-Kraft­schlepper und ein Lokomobile. Auf den Grundstücken Willibald Klobus (Leipziger Straße 30) und Erich Dietzschold (Leipziger Straße 10) werden Wohn- und Stallgebäude gebaut, jedoch erst 1932 fertiggestellt. Auf dem Gut Nr. 11 wird eine Shell- Tankstelle mit einer Zapfsäule in Betrieb genommen. Der Betreiber Joffroy gibt sie wegen Benzin­mangel im 2. Weltkrieg auf. Ein Bebauungs­plan sieht vor, im Norden, Westen und Süden von Knautnaundorf Wohnhäuser, unterbro­chen von Grünanlagen, zu bauen. Die Straße Markranstädt-Eythra soll gerade durch den Ort führen; die Kohleabbaugrenze soll im Osten bis an den Ort reichen, im Norden bis ca. 200 m vor den Ort.


1932

Im neuen Gemeinderat erhält die bürgerliche Partei vier, die SPD zwei Sitze und die KPD einen Sitz. Am 20. Juli wird das Baurechtli­che Ortsgesetz von 1918 außer Kraft ge­setzt. Frau Anna Eichler erhält am 6. Dezem­ber die Erlaubnis, im Ort einen Handel mit Lebensmitteln, Flaschenbier, Tabak, Zigarren und Zigaretten zu betreiben.


1933

Da sein Sohn Ekkehard noch minderjährig ist, meldet Oskar Pfefferkorn am 2. Januar für diesen das Gewerbe als selbständiger Maler und Lackierer an. Durch das Gesetz über die Neubildung der Gemeindekörper­schaften vom 6. April werden die Ergebnisse der Reichstagswahlen vom 5. März auf die Gemeinderäte umgeschlagen. Die NSDAP erhält fünf, die SPD zwei Sitze. Nach dem Verbot der SPD am 23. Juni verbleiben nur die Abgeordneten der NSDAP im Gemeinde­rat. Kurt Holzweißig wird am 30. Juni Bürger­meister. Die polnische Familie Kopytko wird aus dem Ort ausgewiesen. Drei Gemeinde­glieder werden vorübergehend in sog. Schutzhaft genommen, aber auf Befürwor­tung des Bürgermeisters und der Gemeinde wieder freigelassen. Die Dorfstraße wird beschottert und mit Teer überzogen. Im Sommer nimmt die Gemeinde ein Darlehen von 20 000 Mark auf, um Arbeitsbeschaf­fungsmaßnahmen zu finanzieren. Ein Jahr zuvor protestierten Arbeitslose, da sie für ABM zu geringen Lohn bekamen; daraufhin waren diese Maßnahmen vorerst eingestellt worden. Mit Wirkung vom 1. Oktober verbietet die Amtshauptmannschaft die Fortführung des Geschäftes von Anna Eichler, da sich das Inhaberehepaar "zum mindesten früher in kommunistischem Sinne betätigt" hatte. Der Jugendverein des Ortes, der in den Jahren zuvor Frühlingsbälle, Erntedank- und Winzerfeste veranstaltet hatte, geht in der Hitlerjugend auf.


1934

Auf dem Gelände des Rittergutes wird ein neuer Schweinestall gebaut. Am Spritzen­haus wird ein Brunnen für Feuerlöschzwecke gebaut. Feuerlöschteiche sind der Schaf­teich am Rittergut, der Teich an der jetzigen Feuerwehr und zwei Teiche rechts des Weges nach Bösdorf.


1935

Die Freiwillige Feuerwehr Knautnaundorf wird gegründet und eine Motorspritze angeschafft. Die Ausrüstungskosten werden durch die Feuerschutzsteuer abgedeckt, die von allen Grundstücksbesitzern erhoben wird.


1936

Paul Platz pachtet am 1. April von der Witwe Clara Hänzel den Gasthof. Seit 1936 befin­det sich dort die Posthilfsstelle. Die zum Gut Nr. 32 (Leipziger Straße 11) gehörige Scheu­ne an der Leipziger Straße wird abgerissen und stattdessen eine neue an der Dorfstraße erbaut. Am 6. Juni genehmigt der Gemein­derat eine Satzung über die Überwachung des Bauwesens in der Gemeinde. Der Gutsbesitzer Berg verpachtet für 30 Mark das Gelände für einen Fußballplatz an die Gemeinde.


1937

Nachdem im vorangegangenen Jahr am Pfarrhaus umfangreiche Sanierungsarbeiten stattgefunden hatten, wird es vom Ehepaar Fischer bezogen. Am 25. April übergibt die Firma Neuthor einen Brunnen auf dem Friedhof, der "Andreas-Brunnen" genannt wird. Die große Glocke von 1516 zerspringt, wofür die Gemeinde 1939 eine neue erhält, die jedoch im Krieg eingeschmolzen wird. Das neue Feuerwehrhaus wird eingeweiht.


1939

Ein schwerer Sturm beschädigt am 15. März Dach und Flügel der Windmühle; sie wird nicht mehr aufgebaut. Die Mühle hat Diesel und Elektroantrieb. Um den Wind auszunut­zen, hatte der Müller sogar nachts unter freiem Himmel geschlafen und gemahlen.

Knautnaundorfer Windmühle nach dem schweren Sturm vom 15. März 1939

Knautnaundorfer Windmühle nach dem schweren Sturm vom 15. März 1939